Quo vadis Landwirtschaft

Quo vadis Landwirtschaft

Podiumsdiskussion am 12.4.2018 in Loitz

Am Donnerstag den 12. April 2018 besuchten wir als kleine dreiköpfige Abordnung der Hinterlandbühne eine Podiumsdiskussion in Loitz, die sich mit der Zukunft der Landwirtschaft beschäftigen sollte und vom Demokratieladen Anklam in Zusammenarbeit mit der Friedrich-Ebert Stiftung veranstaltet wurde.
In dem atemberaubend schönen alten Tanzsaal des „Peter Tucholski Hauses“ in Loitz, der mit etwa 250 Gästen voll besetzt war, stellten sich die vier Referenten den Fragen des Publikums und vermittelten zuvor in einem kurzen Vortrag ihre Standpunkte. Nach den üblichen Begrüßungsworten legte zunächst der Landwirtschaftsminister von Mecklenburg Vorpommern Till Backhaus (SPD) seine Gedanken dar.
Zunächst sprach er seine Besorgnis über die akute Kriegsgefahr aus und gab seiner Hoffnung darüber Ausdruck, der russische Präsident Putin möge vernünftiger reagieren als der amerikanische Präsident Trump.

Die Situation der Landwirtschaft habe ihn ernüchtert und mache ihn tieftraurig aber auch hoffnungsvoll. Die Privatisierung nach der Wende bezeichnete er als groben Fehler – inzwischen seien drei Privatisierungswellen über das Land gegangen. Er hoffe, die Regierung könne den endgültigen Ausverkauf des Landes an Konzerne noch mit Hilfe eines Agrarstrukturgesetzes stoppen.
Hoffnungsvoll stimme ihn die Renaissance der regionalen Produkte und die Verbindung der lokalen Erzeuger mit den Städten wie Berlin oder Hamburg.

Sorge um Welthunger und Weltfrieden spielen eine große Rolle und der Auftrag bestehe darin, neue Konzepte der Landwirtschaft zu entwickeln, da große Ziele der Umweltpolitik nicht erreicht seien. Weder die Wasserrahmenrichtlinie, noch die Nitratrichtline, und die Vorgaben der EU zum Klimaschutz  oder Meeresschutz werden auch nur annähernd erreicht.
Die konventionelle Landwirtschaft muß ökologischer werden, die ökologische Landwirtschaft muß wirtschaftlicher werden.

137 Milliarden Euro fließen in der EU in die Landwirtschaft – 356 Millionen davon nach MV.
Ziele seien: Der Erhalt der Trinkwasserqualität, Erzeugung hochwertiger Lebensmittel und Verbesserungen bei der Biodiversität.
Die Landwirtschaft ist der einzige volkswirtschaftliche Bereich, der mit dem ihm anvertrauten Boden beweisen kann, daß eine Reaktivierung der ökologischen Zusammenhänge möglich ist.
Die Auswirkungen der derzeitigen Landwirtschaft hat der ländliche Raum zu tragen.
Als nächster sprach Michael Succow, Er berichtete von seinen weltweiten Reisen auf denen ihm immer mehr die Ungleichheiten in der Bevölkerung auffallen – mit starken Auswirkungen auf die Versorgungslage der Menschen. Er sieht derzeit faktisch China als Führungsnation der Welt, China aber sei eine Diktatur und das stimme nicht unbedingt hoffnungsvoll.

Der Klimawandel ist überall auf der Welt zu bemerken, große Landstriche verwüsten.
In Norddeutschland leben wir auf einer Kulturlandschaft, die in 6000 Jahren nach der Eiszeit durch Menschen entwickelt wurde und sich durch eine gewaltige Artenvielfalt auszeichnet, die jedoch massiv im Schwinden begriffen ist, woran die Landwirtschaft einen maßgeblichen Anteil hat. In den USA gibt es keine Kulturlandschaft, die dortige Naturlandschaft wurde in 150 Jahren direkt in eine Industrielandschaft umgewandelt.

Was die Möglichkeiten für eine umweltgerechte Landwirtschaft angeht, so hält er MV für das aufgeklärteste Land innerhalb der ostdeutschen Länder.
Martin Piel, der Geschäftsführer des Bauernverbandes MV lehnt Insellösungen für MV ab, da die Preise für Agrarprodukte an der Börse gebildet werden. Er fragt, wohin man sich entwickeln solle, wenn es weiter in Richtung Nachhaltigkeit gehen solle, dann muß man die drei Säulen der Nachhaltigkeit: die ökonomische Säule, die ökologische Säule und die soziale Säule miteinander in Einklang bringen.
Ökonomische Zwänge führen zur Spezialisierung. Deutschland importiere landwirtschaftliche Produkte für deren Erzeugung man 4 Millionen Hektar Land bräuchte. Er plädierte für Modelle der Vertragsproduktion zwischen Lanwirten und Verbraucher, um den Landwirten Planungssicherheit zu ermöglichen.

Sebastiaan Huisman plädierte für eine ökologisch orientierte Landwirtschaft, die den ländlichen Raum neu beleben kann, soziale Impulse setzt, den Schutz der Meere befördert und in der Lage ist, wirtschaftlich zu arbeiten. Die derzeitigen Probleme wie Artenschwund und Pestizidrückstände im Trinkwassen seien auf die industrielle Landwirtschaft zurückzuführen und nur eine andere Art der Landnutzung können diese Probleme lösen. Die Gesellschaft fordere gesunde Lebensmittel und einen gerechten Umgang mit Mensch und Tier. Die ehrlichen Preise müssen auf die Produkte, Wasserverbrauch, Ressourcenverbrauch, soziale Ungleichheiten, Klimaschädigung und Artenschwund müsse nach Verursacherprinzip in den Preisen einen Niederschlag finden, dann sind die ökologisch erzeugten Lebensmittel auch die preiswertesten Lebensmittel.
Ein großer Teil der in Deutschland nachgefragten Ökoprodukte werde im Ausland erzeugt. Die deutsche Landwirtschaft produziere an der Nachfrage vorbei.

In der folgende Diskussion wurde deutlich, dass es derzeit offenbar ein großes Konflicktpotential zwischen Landwirtschaftsminister und Bauernverband gibt. Backhaus riß das Gespräch immer wieder an sich und sprach sich recht vehemennt für eine Agrarwende aus. Spürbar an den Fragen aus dem Publikum war einerseits eine große Verunsicherung der konventionellen Landwirte, die sich in eine Verteidigungsposition gedrängt fühlen und dem Mißtrauen der Agrarwendebefürworter, die den Verlautbarungen des Ministers nicht recht trauen wollen.

Die Veranstaltung wurde gefilmt und soll bei Yutube eingestellt werde. Wir verlinken, sobald das Material veröffentlicht wird.

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